Kein Kuchen ist auch keine Lösung.

Das war vor kurzem der Spruch auf meinem Wochenkalender. Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit diesem Spruch geht. Ich dachte: Wieder ein Spruch, mit dem ich nichts anfangen kann. Nur die hedonistische Version von „Ohne Mampf kein Kampf“, auch wenn mir dieser Spruch in Anbetracht der aktuellen Kriege zu militaristisch klingt. Und dann stand in der Woche die schriftliche Gratulation zu einem Geburtstag an. Und durch diesen neuen Blickwinkel auf den Spruch änderte sich alles: Ein Geburtstag ohne Kuchen ist auch keine Lösung.

Denn ohne den Kuchen findet weniger Gemeinschaft statt. Zumindest bei uns gehört der Kuchen dazu, auch wenn ich selbst kein Kuchenesser bin. Und während der Mampf nur sicherstellt, dass die Grundbedürfnisse befriedigt sind, ist der Kuchen mehr. Erst er ist gemeinschaftsbildend. Denn ein Essen, welches nur dazu dient, das Überleben zu sichern, verhindert nur den Fressneid. Es bildet keine Gemeinschaft. Damit Essen gemeinschaftsbildend wirkt, bedarf es mehr. Erst dann ist Geselligkeit und sogar Solidarität möglich. Die Erinnerung an ein solches Mahl ist daher zu Recht wichtig in der christlichen Tradition.

Und es ist auch keine neue Erkenntnis. So forderten im Jahr 1911 Frauen nicht nur Brot, sondern eben auch Rosen: „The woman worker needs bread, but she needs roses too.“ Und in der Bibel ist neben dem letzten Abendmahl die Speisung der Fünftausend sehr eindrücklich.

„Als sie aber satt waren, spricht er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. Da sammelten sie und füllten zwölf Körbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.“ Joh 6.12-12

Hier entstand auch Gemeinschaft und die Voraussetzung war, dass alle so satt waren, dass sogar noch etwas übrigblieb. Hier gab es definitiv ein Mehr. Klar ist aber auch, nur Kuchen bringt auch nichts. Er kann dann seine Wirkung im beschriebenen Sinn nicht entfalten. Die Person, die den Satz „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!“ erfunden und Marie Antoinette in den Mund gelegt haben soll, wusste das wohl auch.

Die Erkenntnis ist trivial?

Ja, vielleicht.

Aber sie wird dennoch zu leicht im Alltag vergessen, auch im betrieblichen. Denn wo ist im Alltag der Blick für Hygienefaktoren und Motivatoren nach Frederick Herzberg?

Oder die Erkenntnis, dass eben doch wirkliche Teilhabe notwendig ist für Solidarität und damit für eine funktionierende Demokratie?

Zu schnell verliert man das aus dem Blick: Kosten- und Zeitdruck, mangelnde Einnahmen, Konflikte, Fehler im Prozess … Da ist man mit anderem beschäftigt.

Was ist heute für Sie der Kuchen? Oder was das fehlende Brot, weil der Kuchen nicht befriedigt?

Für mich war der Motivator offensichtlich die Erkenntnis, dass in dem Satz doch mehr steckt, als er auf den ersten Blick erscheint. Sie hat mich zu dieser Andacht motiviert, weil ich genügend Brot hatte.

Thomas Krämer, wissenschaftlicher Referent im kda Bayern

Foto: KoKimk / Getty Images via Canva

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