„Sie müssen es uns als Gesellschaft wert sein.“ – Interview mit einem Heimbewohner am Tag der Pflege

NÜRNBERG. Zum Tag der Pflege am 12. Mai 2021 möchte der kda Bayern in seinem Beitrag einen selbst Pflegebedürftigen zu Wort kommen lassen. Deshalb suchte der Leiter des kda Bayern, Pfarrer Dr. Johannes Rehm, den Vorsitzenden des Heimbeirats des städtischen Sebastianspitals auf, um sich über seine Sicht von Pflege zu informieren.

Das Pflegezentrum Sebastianspital des städtischen Nürnberg Stifts am Wöhrder See ist eines der großen Pflegezentren Bayerns. Herr Edmund Gerhardt ist 90 Jahre alt und war übrigens der erste Nürnberger, welcher geimpft wurde.

Rehm: Lieber Herr Gerhardt, seit vielen Jahren arbeiten wir gerne im Heimbeirat zusammen – Sie als Vorsitzender und ich als Mitglied. Bitte schildern Sie doch kurz Ihren beruflichen Werdegang.

Gerhardt: Ich bin gelernter Feinmechaniker und war dann mit 26 Jahren bei Zeiss-Ikon der jüngste Abteilungsleiter. 1956 kam ich aus familiären Gründen nach Nürnberg und wurde nach einem mehrjährigen Fernstudium Mitarbeiter des Versandhauses Quelle, wo ich schnell in eine verantwortliche Position aufstieg. Zuletzt war ich Hauptabteilungsleiter für den technischen Bereich einschließlich der Warenauslieferung mit mehr als 2.000 Mitarbeitenden. Insgesamt war ich 38 Jahre bei der Quelle tätig, was mit einer hohen zeitlichen Beanspruchung verbunden war. Seit zehn Jahren lebe ich nun schon im Heim.

Hinter uns allen liegen lange Wochen der Corona-Pandemie. Wie haben Sie diese Zeit als Pflegeheimbewohner erlebt?

Die notwendigen Quarantäne- und Schutzmaßnahmen trafen uns Bewohner sehr hart. Zudem hatten wir leider viele Sterbefälle. Unser Pflegeteam hat sich in dieser schweren Zeit hervorragend bewährt, obwohl einige trotz aller Schutzmaßnahmen selbst erkrankten. Führungskräfte und Pflegekräfte waren vor eine äußerst schwere Aufgabe gestellt, welche sie gemeinschaftlich sehr gut und frohen Mutes bewältigten.

Durch die Abschottungsmaßnahmen waren die Heimbewohner doch sehr isoliert und blieben ohne direkten Kontakt zu Menschen außerhalb. Wie erlebten Sie die Pflegekräfte in dieser extremen Situation?

Die Pflegekräfte reagierten besonnen und erwiesen sich als bewundernswert belastbare Mitarbeitende. Trotz eigener familiärer Belastungen nahmen sie alle die notwendigen Wechselschichten auf sich. Ich möchte mich deshalb bei jedem und bei jeder Pflegekraft sehr herzlich bedanken, dass sie in dieser oft quälenden Situation so viel Ausdauer, Kraft und Humor zeigten.

Nun sind Sie, lieber Herr Gerhardt, schon lange Jahre auf Pflege angewiesen. Was ist auf dem Hintergrund Ihrer Erfahrung unter guter Pflege zu verstehen und was wünschen Sie sich vom Dienst eines Pflegers oder einer Pflegerin?

Das wichtigste ist der menschliche Kontakt. Heim ist nicht zu Hause, deshalb muss man als Heimbewohner Kompromisse machen. Man muss sich auch bewußt machen, dass Pflegekräfte auch Menschen sind und viel Leid aushalten müssen. Dafür muss man Verständnis haben und sollte keine unmöglichen Forderungen stellen. Der Pflegeberuf bringt auch Opfer für das Familienleben mit sich und trotzdem sind die meisten Pflegekräfte nett, hilfsbereit und zugewandt.

Was wünschen Sie sich abschließend am Tag der Pflege persönlich für die Pflegerinnen und Pfleger? Was ist nötig, dass Pflegekräfte ihre Arbeit und ihren Dienst auch künftig gut tun können?

Das Wichtigste ist, dass wir Corona bald besiegen müssen. Vorher ist eine Rückkehr zur Normalität nur sehr begrenzt möglich. Auf dem Hintergrund der schwierigen Herausforderungen und der gemachten guten Erfahrungen wäre es sehr zu wünschen, dass die Pflegekräfte nun selbst ein Entgegenkommen erfahren und ihre Bezüge spürbar angehoben werden, denn sie haben es sich wirklich verdient und sie müssen es uns als Gesellschaft wert sein. Denn wenn sie, unsere Pflegerinnen und Pfleger, nicht ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen würden, dann würde eine schreckliche humanitäre Notlage für unser gesamtes Land entstehen.

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, sondern Ihre wertschätzenden Worte, lieber Herr Gerhardt, verdienen es wirklich, am Tag der Pflege nachdrücklich und dick unterstrichen zu werden. Ich danke Ihnen sehr für unser Gespräch und wünsche Ihnen, Ihren Mitbewohnern und ihren Pflegekräften von Herzen alles Gute und den Segen Gottes.

Titelbild: Edmund Gerhardt (re.) im Gespräch mit Pfarrer Johannes Rehm (li.) vor dem Sebastianspital in Nürnberg. (Foto: kda Bayern)

Gesundheit, Alter, Arbeitsbedingungen

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