Von den Zeit-Lücken zwischen Männern und Frauen

Immer mehr Frauen erwerbstätig – aber wie?

Was die Erwerbstätigkeit betrifft, haben Frauen in Deutschland deutlich aufgeholt: Im Jahr 1995 lag ihre Erwerbstätigenquote bei 55 %, heute sind hierzulande 72,1 % aller Frauen und 79,4 % aller Männer erwerbstätig, so das Statistische Bundesamt in einer Pressemitteilung aus dem März 2023.

Der sogenannte ‚Gender Employment Gap‘(Unterschied in der Erwerbsbeteiligung zwischen Männern und Frauen) liegt laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2023 in Deutschland bei 9 %. Da verwundert es auf den ersten Blick, dass trotzdem bei der Aufteilung der Sorgearbeit oder den Renten im Durchschnitt große Lücken – von um die 50 Prozent –klaffen zwischen Männern und Frauen. Die Ursachen dafür liegen unter anderem in der unterschiedlichen Aufteilung von Zeit.

Durchschnittlich wöchentlich geleistete Arbeitszeit nach Geschlecht, Datenquelle: Eurostat (2021), Labour Force Survey, eigene Darstellung

Zeit-Lücken bei der Erwerbsarbeit

Auch wenn Frauen bei ihrem Anteil an den Erwerbstätigen aufgeholt haben: fast die Hälfte (46 %) von ihnen arbeitet in Teilzeit, während es bei den Männern nur rund 11 % sind. Dadurch entsteht der sogenannte Gender Time Gap oder auch Gender Hour Gap, der bemisst, wie viele Stunden weniger Frauen in Erwerbstätigkeit sind.

In Deutschland waren das im Jahr 2021 etwa 7,4 Stunden pro Woche. Frauen arbeiteten im Durchschnitt knapp 31 Stunden, während Männer etwas über 38 Stunden pro Woche erwerbstätig waren. Diese Lücke zwischen den Arbeitszeiten beträgt im Durchschnitt 18 Prozent und variiert je nach Alter und Familienstand.

Teilzeitquote von nach abhängig beschäftigten Männern und Frauen; Datenquelle: WSI GenderDatenPortal (2021), eigene Darstellung

Zeit-Arrangements bei Paaren

Spätestens beim Übergang in die Elternschaft ändert sich die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit in Deutschland immer noch deutlich hin zu traditionelle Rollenmustern. Wie der IAB Forschungsbericht 16/2020 konstatiert, „sind in zwei Dritteln aller Paarhaushalte mit Kindern beide Partner erwerbstätig aber nur in fünf Prozent der Fälle hat der Mann seine Arbeitszeit reduziert.“ Knapp 70 Prozent praktizieren das Zuverdiener-Modell, bei der der Mann in Vollzeit (und mehr) und die Frau in Teilzeit arbeitet.

Vollzeit-/Teilzeit-Konstellationen in Zwei-Verdiener-Paarhaushalten; Datenquelle: WSI GenderDatenPortal (2021), eigene Darstellung

 

Auch die Veränderungen durch die Corona-Pandemie haben an der ungleichen Verteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern nicht viel geändert. Nach Untersuchungen des IAB zur Aufteilung von Sorgearbeit in Familien (IAB Kurzbericht 5/2022; Seite 7) hat sich der Anteil von Vätern, die den größeren Teil der Kinderbetreuung übernahmen nur zeitweise erhöht (von 5 auf 10 Prozent). Der Anteil der Mütter „lag allerdings mit 64,2 Prozent immer noch sechs Mal so hoch wie der der Väter“.

Haushalt – Erziehung – Pflege: Die umgekehrte Zeit-Lücke

Die ungleiche Verteilung von unbezahlter Haus- und Sorgearbeit führt zur umgekehrten Zeitlücke bei der Zeitverwendung von Männern und Frauen, dem ‚Gender Care Gap‘. Der liegt aktuell bei rund 50 %, die Frauen mehr für unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung aufwenden als Männer, so der IAB Forschungsbericht 16/2020 (Seiten 29-31).

Gründe für Teilzeitarbeit nach Geschlechtern 2019; Datenquelle: Statistisches Bundesamt (2020), eigene Darstellung

Frauen pflegen häufiger und länger

Neue Studienergebnissen des Deutschen Alterssurveys (DEAS) „verdeutlichen, dass Frauen nicht nur häufiger als Männer unterstützen und pflegen, sondern auch mehr Zeit dafür aufwenden: Im Winter 2020/21 waren es insgesamt 11,5 Stunden pro Woche – im Vergleich zu 7,5 Stunden bei den Männern.“ Erwerbstätigkeit und zeitintensive Pflege sind laut DEAS schwer kombinierbar: „Während Nicht-Erwerbstätige im Schnitt 17,2 Stunden pro Woche für Pflegeaufgaben aufbringen, sind es bei Erwerbstätigen 7,6 Stunden pro Woche.“ (Deutscher Alters Survey – BMFSFJ – Online Meldung vom 29.06.2022)

Weniger Zeit im Erwerbsleben und mehr Zeit in der Sorgearbeit bringt Frauen weitere Lücken ein: beim Einkommen und bei der Rente. Bisherige Maßnahmen – wie Vätermonate beim Elterngeld oder Entgeltpunkte bei der Rente für die Pflege von Angehörigen – haben keine echte Zeit(en)wende bei der Arbeits-Teilung zwischen Männern und Frauen gebracht. Die Ampelregierung will hier nachjustieren, etwa durch eine Reform des Ehegattensplittings, die Streichung der Lohnsteuerklasse V sowie eine Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld. Ob das ausreicht, um die Zeit-Lücken zwischen Männer zu schließen und eine gerechte Verteilung aller gesellschaftlicher Arbeit zu realisieren, bleibt abzuwarten.

Hanna Kaltenhäuser arbeitet als wissenschaftliche Referentin für den kda Bayern.

Bild: via Canva

Dieser Artikel ist Teil des Online-Schwerpunktes zum Ev. Kirchentag 2023.

Frauen, Geschlechtergerechtigkeit, Zeit

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