Vor vielen Jahren besuchte ich als Student die Kommunität Taizé im französischen Burgund. Von meinen Freunden, die regelmäßig Taizé bereits seit langem besuchten, hatte ich schon viel über diese ökumenische Gemeinschaft gehört und wir sangen gerne deren meditative Gesänge in unseren Gottesdiensten. In Taizé erlebte ich dann selbst bewegende Gottesdienste mit sehr vielen jungen Menschen aus der ganzen Welt. Einen tiefen Eindruck machte auf mich der erste Prior der Gemeinschaft Frère Roger Schutz, dessen Buch „Kampf und Kontemplation“ mich sehr bewegte.
Das Begriffspaar „Kampf und Kontemplation“ bringt tatsächlich trefflich die grundsätzliche Spannung zur Sprache, welche jedes christliche Leben prägt – auch und gerade außerhalb des schützenden Rahmens einer christlichen Gemeinschaft, nämlich als Lebensform im Alltag der Arbeitswelt in einem nichtreligiösen Umfeld.
Doch zunächst war mir selbst als jungen Menschen die Vorstellung, dass das christliche Leben ein Kampf sei, sehr befremdlich, denn ich war schließlich aus christlicher Motivation seit damals Anhänger der Friedensbewegung. Und auch mit Kontemplation konnte ich nicht sofort etwas anfangen, weil ich dabei an einen Rückzug aus der Welt dachte. Bis ich dann aus dem Neuen Testament lernen durfte, dass es um einen Kampf von uns Christen im Leben geht, welcher mitten im weltlichen Alltag zu führen ist. „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.“ (1. Tim 6,12)
Von Anfang an konnten Christen überhaupt nicht davon ausgehen, dass ihre Glaubensüberzeugung als allgemein einleuchtend empfunden wird. Ganz im Gegenteil: Als Christ werde ich immer wieder für meine Überzeugung kämpfen müssen und auch auf Widerspruch stoßen. Konkurrenz und Wettbewerb ist das Begriffspaar, welches unsere Arbeitswelt prägt. Wie kann ich mich im Berufsleben behaupten und einbringen ohne das gute Bekenntnis meines Glaubens zu Nächstenliebe und Versöhnung preiszugeben? Der erste Timotheusbrief enthält einen apostolischen Rat: „übe dich selbst aber in der Frömmigkeit.“ (1. Tim 4,7) Damit ist doch genau das gemeint, was z.B. in Taizé Kontemplation, also Frömmigkeitsübung, heißt. Üben kann man allein und üben kann man in Gemeinschaft. Im Grunde gilt es ein Leben lang zu üben, was es bedeutet als Christ zu leben. Jeden Tag aufs Neue ist Folgendes einzuüben „Jage aber nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut!“ (1. Tim 6,1)
Was bedeutet diese apostolische Mahnung für meinen Umgang mit Mitarbeitenden, mit Vorgesetzten und mit Ressourcen? Das Neue Testament gibt mir dafür kein für jede Situation passendes Patentrezept, aber sehr wohl den guten apostolischen Rat, mich nicht voreilig zu verkämpfen, sondern erst einmal tief Luft zu holen und mich selbst vom Evangelium ergreifen zu lassen, bevor ich mich in die dann unvermeidlichen Auseinandersetzungen des Arbeitsalltags hineinbegebe.
„Kampf und Kontemplation“, dies bleibt die Grundspannung des christlichen Glaubens, welche es nicht auseinanderzureißen, sondern die es jeweils neu auszubalancieren und oft auch auszuhalten gilt. Ein christliches Leben hat eine Verheißung und lebt von einer Hoffnung, die weit über die Kämpfe unseres Arbeitslebens hinausreicht.
Herr Gott himmlischer Vater: ich danke dir für die Hoffnung des Glaubens, die mir hilft, in den Kämpfen meines Lebens zu bestehen.
Ich bitte dich, dass ich es täglich besser lerne meinen Mitmenschen und Kollegen ein Nächster zu sein.
Dich, dreieiniger Gott, lobe und verehre ich als den Grund und das Ziel meines Lebens.
Amen.
Johannes Rehm, kda Nürnberg
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