Es gab und gibt so viel Schlimmes in der letzten Zeit: die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Klimakatastrophe sind vielleicht die drei schwerwiegendsten. Menschen haben gehandelt oder nicht gehandelt. Entstanden sind unter anderem Maßnahmen und Handlungen sowie Nicht-Maßnahmen und Nicht-Handlungen. Niemand weltweit blieb und bleibt unberührt von den Folgen. Viele fühlen sich geknickt und/oder energielos.
Und dann dieses Versprechen im aktuellen Wochenspruch aus Jesaja 42,3:
„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.“
Doch wer ist dieser „er“. Das Er bezieht sich auf den Knecht, von dem der Text handelt. Wer mit dem Knecht gemeint ist, da ist sich die Forschung nicht einig: eine Einzelperson, das ganze Volk Israel oder der Messias. Klar ist nur das Versprechen, das Gott gibt, wie dieser Knecht handeln wird.
Vielleicht ist es für den Alltag gar nicht so wichtig, wer genau mit Knecht gemeint ist. Wenn es das Volk Israels ist, so glauben wir Christen, dass wir in diesen Bund hineingenommen sind. Ist der Messias, also Jesus gemeint, so beschreibt der Text das Gottesreich. Unserem Glauben nach hat es bereits begonnen und wir sind dazu aufgerufen, daran mitzuwirken. Und ist es die Einzelperson, so kann es wiederum jede*r von uns sein, denn er ruft uns alle in seinen Dienst.
Damit wird das Versprechen zu einer Aufforderung: Wir sollen das geknickte Rohr nicht zerbrechen, den glimmenden Docht nicht auslöschen. Das kann man schnell als Überforderung ansehen. Ist es aber nicht. Denn wenn alle danach handeln, dann wird es leicht. Alle achten darauf, den anderen nicht zu zerbrechen, die letzte Kraft zu rauben. In der Gemeinschaft werden wir stark und vermeiden bei entsprechendem Handeln sowohl Überforderungen des Einzelnen als auch ein Zerbrechen der Individuen.
Aber wie kommen wir in einen Zustand, in dem es ein Wir gibt, das so handelt? Das ist gar nicht so einfach. Ich kann nur bei mir anfangen. Ich kann darauf achten, dass ich andere nicht überfordere, zerbreche oder ersticke. Ich kann darauf achten, dass es anderen nicht passiert, und für sie eintreten. Und ich kann davon erzählen, so zu handeln, und von der Vision eines anderen Wirs, welches niemanden überfordert, zerbricht oder das Glimmen erlöscht. Nur durch das Erzählen finden sich Mitstreiter*innen. Je mehr entsprechend handeln, desto leichter fällt es jedem und jeder Einzelnen.
Damit wird der Text letztlich zu beidem. Er ist sowohl Anspruch als auch ein Versprechen. Mit Gottes Hilfe und Gnade kann es gelingen, dieses Versprechen zu erfüllen. Wenn auch mit unterschiedlich großer Verantwortung, gilt für uns alle, die guten Willens sind, ob einfache Bürger*innen, Verantwortliche in Wirtschaft und Politik oder Regierende: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.
Thomas Krämer, kda Nürnberg
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