Ein kleiner, weißer Kastenwagen steht mit laufendem Motor in der Straße, der Warnblinker ist an, die Hecktüren sind offen. Zunächst ist niemand zu sehen. Plötzlich kommt ein Mann hektisch aus einem Hauseingang. Mit zwei Paketen auf dem Arm macht er sich auf zum nächsten Hauseingang. Kurz darauf kommt er ohne Päckchen zurück, läuft zum Auto, um sich mit weiteren Paketen zu beladen und wieder auf den Weg zu den nächsten Hauseingängen in der Straße zu machen. So geht das eine ganze Zeit, acht oder zehn Pakete lang dauert es bis er in das Auto springt, davon braust, um in der nächsten Straße wieder anzuhalten, den Warnblinker zu betätigen und die Hecktüren zu öffen …
Sie kennen diese Situation? Ja, mittlerweile gehört so ein Anblick wohl leider zum hektischen Alltag. In der Coronazeit und noch mehr jetzt in den Wochen vor Weihnachten sind sie wieder in Scharen unterwegs, die Kleinbusse und Kastenwagen mit ihren Lenkern (und einigen wenigen Lenkerinnen) die Päckchen und Pakete zu uns bringen. Und das immer häufiger zu „außergewöhnlichen” Uhrzeiten, spät am Abend noch oder am Wochenende. Ein Knochenjob, denke ich mir, die armen Fahrer.
„Kommt her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.” Dieser Satz steht im Matthäusevangelium in Kapitel 11, Vers 28. In alten Übersetzungen der Lutherbibel heißt es auch „durch anstrengende Arbeit ermüdet” oder „belastet sein.”
Mühselig und Beladen im wahrsten Sinne des Wortes denke ich mir dann, wenn ich wieder so einen Menschen sehe, der hektisch und mit großem Zeitdruck seiner schlecht bezahlten Arbeit nachgehen muss. Was für eine Arbeit, bei jedem Wetter, immer im Stress weil ja jeder von uns seine Pakete am besten sofort haben will. Und dabei soll das Paketauto natürlich nicht im Weg stehen, es soll bloß keine Ausfahrt blockieren, keinen Radweg, keinen Gehsteig. Und natürlich soll der Fahrer auch die Zeit haben, wenn nach dem Klingeln nicht sofort jemand aufmacht. Stattdessen soll er warten bis endlich der Türsummmer Einlass gewährt. Und natürlich ist das alles für mich als Verbraucher am besten „versandkostenfrei”.
In der Bibel verspricht Jesus denen, die mühselig und beladen sind, dass er sie erquickt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir als Christinnen und Christen diesem Auftrag auch einmal nachkommen. Ob ich den Fahrer erquicken kann, weiß ich nicht. Aber wenn wir schon nicht erquicken, vielleicht schaffen wir es ja, das nächste Mal ein wenig mehr Verständnis für den Menschen hinter den Paketen aufzubringen. Dass wir uns nicht mehr so über den Lieferwagen in der Straße aufregen, nicht gleich hupen, mindestens ein „Danke” oder eine verständnisvolle Geste für den Paketfahrer haben. Und uns vielleicht einfach nur bewusst machten, dass der, der Pakete liefert, in der Regel nicht derjenige ist, der sie bestellt. Vielleicht ist das schon mal ein erquickender Anfang.
Ulrich Gottwald, kda Augsburg
(Foto: AzmanJaka/ Getty Images Signature via Canva)