Es vergeht kaum ein Arbeitstag, an dem nicht genau dann mein Telefon läutet, wenn ich gerade konzentriert einen Text schreibe oder ein komplexes amtliches Schreiben zur Kenntnis nehmen muss. Da im Arbeitsleben Störungen Vorrang haben, hebe ich natürlich sofort ab und melde mich. Wenn ein vertrauter Kollege oder eine mir bekannte Kollegin in der Leitung sind, dann erlaube ich mir zu sagen: „Ich schreibe noch diesen Satz zu Ende, dann bin ich ganz Ohr.“
Meistens gelingt der Umstieg vom Schreiben aufs Hören problemlos, vor allem wenn der Anrufer eine von mir bereits erwartete erfreuliche Nachricht für mich bereit hat. Manchmal möchte ich zwar ganz Ohr sein, aber das vorherige Thema hält mich noch so gefangen, dass ich erst zweimal hinhören muss, um meinem Anrufer wirklich gerecht zu werden. Aber insgesamt würde ich meine Berufserfahrung in diesem Zusammenhang doch so auf den Punkt bringen, dass es sich immer gelohnt hat, mich gerade nicht gegen meine Mitmenschen abzuschotten, sondern offen zu sein und auf das zu hören, was sie mir gerne sagen möchten.
Das Neue Testament empfiehlt nun genau diese arbeitswelterprobte Haltung der erwartungsvollen Offenheit gegenüber dem Ansinnen unserer Mitmenschen auch für unsere Haltung gegenüber dem Anruf Gottes selbst, der uns unverhofft erreichen und zunächst auch erst einmal als Störung unserer eigenen Kreise daherkommen kann. Der Wochenspruch für diese Woche rät uns deshalb:
„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht!“ (Hebräer 3, 15)
Wann höre ich die Stimme Gottes in meinem Arbeitsalltag? Die Stimme Gottes kann ich vernehmen aus und bei meiner täglichen Bibellese, aus der Tageslosung oder aus einem Bibelwort, auf das „zufällig“ mein Blick fällt. Ich kann sie aber durchaus auch vernehmen aus den freundlichen Worten meiner Mitmenschen, die mir vielleicht einen gesegneten Tag wünschen oder auch sonst ein gutes Wort gönnen. Wenn das geschieht, ist es für mich doch sehr wichtig, ganz konzentriert und damit ganz Ohr zu sein.
Zugegeben: Die Unterscheidung von ewigem Gotteswort und vergänglichem Menschenwort ist eine in diesem Leben nicht endgültig zu vollendende Dauerbaustelle. Aber da vertraue ich doch gerne ganz auf die Mitarbeit von Gottes eigenem Geist. Gottes eigener Geist allein, auf den ich nur hoffen und den ich nur erbitten kann, vermag mich die Unterscheidung zu lehren zwischen dem, was ich nur vorübergehend tagesaktuell zur Kenntnis nehmen muss oder was ich sogar besser überhören sollte und dem, wofür ich ganz Ohr sein muss, weil es von Gott her eine über meine Arbeitszeit hinausgehende Bedeutung hat.
Ewiger und heiliger Gott,
ich danke dir für dein gutes und heilsames Wort und bitte dich: lass mich ganz Ohr für dich sein in der Kraft des heiligen Geistes und der Gemeinschaft, die dein Sohn Jesus Christus unter uns stiftet. Amen
Johannes Rehm, Leiter des kda Bayern
(Foto: AndreyPopov/Getty Images Pro via canva.com)