Durch wie viele virtuelle Hände, glauben Sie, musste dieser Text wandern, bis er veröffentlicht werden konnte? Nein, ich spreche nicht von Zensur (und das würde dann kaum hier stehen). Es geht um Grammatik, Groß- und Kleinschreibung, Interpunktion und Kommasetzung (oder ist das das gleiche?). Es ist mir ein bisschen peinlich: Ich mache viele Fehler in Texten. Sehr viele. Hätte ich Ihnen dies in der Einleitung nicht offenbart, sie würden mich wahrscheinlich für jemanden halten, der qua Amt und beruflichem Alltag in der Lage ist, einen annähernd fehlerfreien Text zu produzieren. Aber heißt das, dass jeder, der viele Texte verfasst, automatisch ein fehlerfreier Texteschreiber ist? Ist man ein schlechter Autor oder eine schlechte Autorin wenn man in diesem Satz, vor dem „Wenn” das Komma vergessen hat?
Hätten nicht sehr nette Kolleg*innen (an dieser Stelle mal ganz lieben Dank) die Kommas in diesem Werk an die richtige Stelle gesetzt, Sie würden sonst was von mir halten. Zu Recht. Aber warum binde ich Ihnen das gerade so auf die Nase? Neulich hat mir wieder jemand von seinem „guten Freund“, dem Arzt erzählt. Der habe ein gängiges Verfahren der Medizin kritisiert und wende es auch selbst nicht an. Welches, das ist mir ausgerechnet jetzt entfallen. Doch die Quintessenz des ganzen war: „Er als Arzt muss es ja wissen.“ Ich denke mir spontan: „Vielleicht ist dein Freund ja einfach ein schlechter Arzt?“. Aber wäre ich dann nicht auch ein schlechter Diakon?
„Für mich selbst aber will ich mich nicht rühmen, außer meiner Schwachheit. Denn wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich kein Narr; denn ich würde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört.“ (2. Korintherbrief 12,5-6)
Paulus, der hier von sich selbst redet, war kein begeisternder Prediger. Fragen sie mal Eutychus (google it!). Er war deswegen aber kein schlechter Apostel. Auch weil eher nicht als Experte in diesem Fach auftreten würde. Vielleicht bin ich ein guter Redner. Aber ein guter Texteschreiber bin ich definitiv nicht. Das macht mich nicht zu einem schlechten Diakon. Und eine Ärztin oder einen Pfleger macht eine abweichende Meinung nicht automatisch zu Vollnieten ihres Faches. Doch sie sind auch keine allumfassenden Experten der gesamten Medizin, selbst wenn es „gute Freunde“ von uns sind. Überlegen wir also immer wieder, ob wir nun wirklich genug von unserem Fach wissen, bevor wir anderen Ratschläge erteilen. Und gestatten wir uns doch auch mal, über etwas in unserem Beruf nichts zu wissen und gönnen wir uns Lücken. Für die gibt es Experten, die man fragen kann.
Martin Deinzer, kda Nürnberg
(Foto: Martin Barraud/ Photo Images via Canva)