Sondersitzung des Mitarbeiterteams. Innerhalb von nur drei Monaten brach der Umsatz des neuen Produkts um über 50 Prozent ein. In der jahrzehntelangen erfolgreichen Firmengeschichte gab es so etwas noch nie, ein absolutes Debakel, trotz der enormen Marketinganstrengungen der Firma. Das neue Produkt konnte sich am Markt nicht, wie firmenintern prognostiziert, durchsetzen. Wie konnte das passieren und wer hat hier Schuld?
Der Chef versucht, die möglichen Ursachen im Mitarbeiterteam zu analysieren. Mehrere Faktoren trugen nach seiner abschließenden Beurteilung zum Misserfolg des neuen Produkts bei. Jede Fachabteilung hat dabei nach Meinung des Chefs ihren Anteil an der Katastrophe. Das Versagen des ganzen Teams macht es vielen Teilnehmern einfacher, die Kritik zu ertragen. Alle konnten so noch mit einem blauen Auge davonkommen. Die Großzügigkeit des Chefs und sein praktizierter kooperativer Führungsstil lassen hier glücklicherweise nochmal für alle „Gnade vor Recht ergehen“. Er möchte das Desaster zu den Akten legen und jetzt vereint gemeinsam nach vorn sehen.
Plötzlich geschieht etwas Merkwürdiges, kaum glaubhaft, aber zugleich für uns Menschen oft sehr bezeichnend: Ein Mitarbeiter erhebt deutlichen, lautstarken Widerspruch. Er fühlt sich keinesfalls mitverantwortlich. Er will keine Großzügigkeit, sondern sein ihm zustehendes Recht auf Anerkennung. Ihm geht es auch nicht um ein für ihn demütigendes „darüber hinwegsehen“ oder gar um billige Gnade. Er erhebt stattdessen Anspruch auf seine eigene persönliche Rehabilitation und Würdigung. Der Mitarbeiter sieht sein Versagen oder seine Fehlentscheidung überhaupt nicht. Er will sein eigenes Recht und nicht die Großzügigkeit in der Beurteilung. Auch die aufgezeigte Gesamtverantwortung des Teams oder das Hinwegsehen seines Vorgesetzten sind für ihn nicht nachvollziehbar. Immerhin hat er sein Bestes gegeben, einen überdurchschnittlichen Einsatz und hohe Leistung gezeigt.
Vielleicht lässt manchen diese Haltung nach menschlichen Maßstäben auf eine große Charakterstärke schließen. Vor Gottes Gericht wird solch eine Haltung allerdings zu keinem Erfolg führen. Der eigene Persönlichkeitskult, die Selbstverehrung der eigenen Leistungen und unsere positiven Selbstdarstellungen werden sich nicht auswirken. Unsere Selbstrechtfertigung wird vor Gottes Gericht nicht gefragt sein.
Wir sollten deshalb schon jetzt unsere selbst gesetzten Maßstäbe und Grundsätze hinterfragen. Es geht dabei immer wieder um die Überprüfung und Veränderung unseres eigenen Lebens. Wir brauchen uns den Himmel nicht zu verdienen, denn wir sind schon begnadigt! Unsere Selbstdarstellung oder persönliche Leistungsbilanz ist bei Gott nicht notwendig. Gut, dass Gott nicht zuerst auf unsere Frömmigkeit und unsere Leistung sieht. Er ist immer barmherzig. Das ist aber kein Freibrief zu sündigen. Denn die Sünde ist die Trennung und die Abkehr von Gott.
Der Wochenspruch für diese Woche, aus dem Brief des Paulus an Epheser, im 2. Kapitel, Vers 2 sagt es uns allen jedenfalls unmissverständlich zu: „Aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.“
Nehmen wir dieses großartige Geschenk Gottes an uns an!
Jürgen Hopf, Projekt Soziale Selbstverwaltung
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