Denn ein Arbeiter ist seiner Speise wert. (Mt 10, 10)
Was ist meine Arbeitsleistung meinem Arbeitgeber wert? Und für wie wertvoll halte ich selbst meinen Arbeitseinsatz? Heikle Fragen sind das, die sich in jedem Arbeitsleben immer wieder stellen. In dem Lohn, den ich für meine beruflichen Bemühungen bekomme, drückt sich eine mehr oder weniger große Wertschätzung der von mir erbrachten Arbeitsleistung aus. Da die Arbeit, eigentlich jede Arbeit, auch die nicht erstrebenswerte Arbeit, Ausdruck meiner Persönlichkeit ist, tut mangelnde Wertschätzung in Form unzureichender Entlohnung weh. Schließlich wurde meine Arbeitsleistung erbracht unter Einsatz der mir zur Verfügung stehenden geistigen und körperlichen Fähigkeiten und vor allem zulasten der mir nur begrenzt zur Verfügung stehenden Lebenszeit. Die Klage über mangelnde Wertschätzung mag wie ein Luxusproblem wirken, aber angesichts der Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen, die nicht existenzsichernd entlohnt werden, wird die existenzielle Bedeutsamkeit der Frage nach dem gerechten bzw. dem angemessenen Lohn deutlich.
Wie eine Lebensregel klingt das Wort Jesu aus der Bergpredigt: Seine Jünger, die er in die Welt sendet, müssen sich schon durch ihre Arbeit erhalten und ernähren können. Und so sollte es auch sein, dass jede menschliche Arbeit, ob geistig oder händisch, doch bitte so entlohnt werden sollte, dass man vom damit verdienten Lohn auch leben kann. Ein Aufstocker zu sein, dessen Lohn durch staatliche Hilfen erst auf ein existenzsicherndes und auskömmliches Niveau gehoben werden muss, ist mit der Menschenwürde nicht vereinbar. Doch wie können wir in einer freien Marktwirtschaft, in der Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, den Faktor Menschenwürde in die Lohngestaltung einpreisen? Noch dazu in einer neuen Epoche der Arbeit 4.0, in der nicht mehr nur Maschinen menschliche Arbeit kostengünstig übernehmen, sondern Algorithmen und künstliche Intelligenz dienstbereit rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Glücklicherweise wird in vielen Bereichen menschliche Arbeit auf absehbare Zeit weiterhin gebraucht. Doch zu welchem Preis!? Andererseits leben unter uns Zeitgenossen, für die es sich gar nicht mehr lohnt zu arbeiten, weil sie von den Erträgen ihres Kapitalvermögens recht gut leben können.
Das Dictum Jesu verstehe ich auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Überlieferung, die selbstverständlich davon ausgeht, dass Geschöpfe Gottes arbeiten und dass sie sich durch ihre Arbeit auch ernähren können. Wenn diese Wechselwirkung von Arbeit und Lohn zu Ungunsten der Menschenwürde aus der Balance gerät, dann sind die Grenzen des Systems einer freien Marktwirtschaft erreicht. Lohngerechtigkeit darf als Ziel menschengerechten Wirtschaftens nicht preisgegeben werden, denn Menschen müssen sich ernähren und viele haben dafür nicht mehr als ihre Hände und ihren Fleiß zur Verfügung. Deshalb muss der Gemeinsinn die Freiheit der Marktteilnehmer einhegen, denn niemand will wirklich Almosen, aber sehr wohl einen gerechten Lohn für den eigenen Einsatz. Arbeit muss sich lohnen und Arbeit muss den Arbeiter und die Arbeiterin ernähren. Die Lohnspreizung in Unternehmen ist ein heikles Thema. Da alle Menschen nicht mehr tun können als arbeiten, sollte die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, was leider nur unzureichend der Fall ist. Der Arbeitslohn ist für dieses irdische Leben bedeutsam, aber es ist zum Glück nicht der letzte Lohn, auf den wir Aussicht haben.
Herr Gott, Vater im Himmel,
wir danken dir, dass du unsere Arbeit wertschätzt
und uns in deinen Dienst nimmst.
Wir bitten dich:
Lass unter uns Menschen die Einsicht wachsen,
dass alle Arbeit einen gerechten Lohn wert sein muss.
Wir loben dich für die Gaben deiner Schöpfung,
für die Versöhnung, die du uns durch Jesus Christus schenkst
und für die Wirkung des Heiligen Geistes unter uns. Amen
Dr. Johannes Rehm, Leiter kda Bayern
entnommen dem Buch: Johannes Rehm, Wirtschaftswunder. 52 Lichtblicke für den Arbeitsalltag, Leipzig 2021.
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