Die zurückliegende Ferien- und Sommerzeit öffnete uns Bayern und Deutschen wieder den Blick zu unseren Nachbarn. Mein persönlicher Blick ging nach Westen zu unserem großen Nachbarn Frankreich. Dieses Jahr waren die Begegnungen in Frankreich geprägt vom Gedenken an 75 Jahre Ende des 2. Weltkrieges. Bis heute gibt es Regionen in Frankreich, wie Teile der Normandie, in denen sich die Zerstörungen des 2. Weltkrieges wirtschaftlich, sozial und strukturell auf die Menschen auswirken.
Gerade in der Begegnung mit Frankreich und seinen Bürgerinnen und Bürgern kommt mir immer ein modernes Kirchenlied in den Sinn. Nicht umsonst ist dieses Lied mit einer Melodie aus dem fernen Neuseeland unterlegt: „Herr gib uns Augen, die den Nachbarn sehn, Ohren, die ihn hören und ihn auch verstehn.” (Evangelisches Gesangbuch 649)
Natürlich sind unsere Augen geprägt von dem, was wir täglich reden, denken und tun, sowie von unserer Haltung. Auch ich kann selbst im Urlaub den Arbeitsseelsorger nicht verleugnen.
Was haben meine Augen bei unserem Nachbarn Frankreich gesehen, was haben meine Ohren gehört? Es ist sehr vielfältig und differenziert. Einige Stichworte: Gelbwesten, das Hoffen auf sichere und ausreichende Renten, auf eine gute Gesundheits- und Daseinsversorgung auch im ländlichen Raum. Das Bemühen vieler Landwirte um eine ökologisch schonende Wirtschaftsweise und lokale Wirtschaftskreisläufe. Die Abhängigkeit von der Atomkraft, und dass viele dieser Kraftwerke ihre reguläre Laufzeit schon überschritten haben.
Meine Erfahrung ist, wenn wir als Deutsche bei unseren europäischen Nachbarn unterwegs sind, öffnet folgendes Herzen und Türen: Respekt, Höflichkeit und Wertschätzung, z.B. von Geschichte, Kultur und Sprache des jeweiligen Landes. Besonders wichtig ist das Einlassen auf die Blickwinkel der Menschen in diesen Ländern. Daher schmerzt mich besonders, wenn in Medien und auch in der Politik immer wieder eine unnötige Arroganz gegenüber Frankreich und auch Nachbarn im Süden Europas gezeigt wird. Einige Stichworte: „Pleitestaaten, können nicht mit Geld umgehen, sind nicht so fleißig wie wir“.
„Den Nachbarn sehen“ heißt also auch, mit den Augen des Nachbarn, mit Verständnis und Wertschätzung sehen und zuhören. Diese Haltung ist für einen persönlich sehr bereichernd, sie ist befriedend über Ländergrenzen hinaus und hat historische Vorbilder.
„Ohren, die ihn hören und ihn auch verstehen“ war über viele Jahre der Leitsatz deutscher Außenpolitik. Damals hieß es “Wandel durch Annäherung” und hat Deutschland zu einem Land der guten Nachbarschaft gemacht. Der kalte Krieg wurde letztendlich mit dieser Haltung überwunden und das getrennte Deutschland konnte zusammenfinden. Diese positive Erfahrung macht weiter Mut.
Klaus Hubert, kda Nürnberg
Titelbild: Nationalmonument Frankreichs, der Mont St. Michel (Foto: kda Bayern)