“Das war komisch – der ging es richtig gut…”
Wir sitzen zusammen, online natürlich. Ein Austausch mit Frauen und Männern, die als Betriebsräte arbeiten. Und natürlich ist Corona auch in dieser Arbeit ein beherrschendes Thema, sei es wegen einem “Zuviel” an Arbeit oder einem “Zuwenig” an Aufträgen. In der Austuschrunde kommt viel Rechtliches zur Sprache, wie schwierig die Arbeit gerade ist, die doch so viel mit Beziehungsarbeit zu tun hat. Und alle erzählen von dieser Müdigkeit ob der Pandemie, von dem Stress des Homeschoolings oder der Unsicherheit im Umgang mit Kolleg*innen, Freunden oder Verwandten, die unter der Krankheit und den Langzeitfolgen leiden.
“Das war komisch – der ging es richtig gut”, sagt dann eine Betriebsrätin und schildert, dass sie damit gar nicht mehr umgehen konnte. Dass sie nicht wusste, wie sie darauf reagieren sollte. Schweigen auch in den anderen Kacheln der Videokonferenz.
Mit guter Laune nicht mehr umgehen können? Sollte uns die Pandemie schon so weit gebracht haben? Nach einem Moment fangen sich die anderen Gesprächsteilnehmer*innen wieder. Dass das doch schön wäre, wenn es jemandem gut gehe, sagt einer. Dass es zwar momentan ungewöhnlich wäre, aber doch erfreulich, meint ein anderer.
“Was sagt denn da eigentlich die Kirche dazu?”, werde ich plötzlich lachend gefragt und Heiterkeit bricht sich Bahn. “Ja, was sagt eigentlich die Kirche dazu?”, denke ich mir. Und während es auf den Bildkacheln der Videokonferenz mit dem Austausch weiter geht, überlege ich, ob es einen Satz gibt, den ich an die Menschen in dem Treffen weitergeben könnte.
Ich kannn mich an einen Satz aus einem Gespräch mit einem Pfarrer erinnern, der mich auf meiner ersten Stelle begleitete und den ich als Mentor sehr schätzen lernte. “Die Kirche sagt da schon was dazu,” werfe ich ein, “also eigentlich die Bibel.” Viele Augenpaare schauen mich interessiert und neugierig an. Ich blättere in der Bibel und finde, was ich gesucht habe, im Römerbrief: “Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.”
Ob das wirklich da drin steht, werde ich gefragt. Also halte ich meine ziemlich benutzte und zerfledderte Bibel in die Kamera. “Unter der Überschrift ‘Das Leben der Gemeinde’. Der Brief des Paulus an die Römer, Kapitel 12, Vers 15”, ergänze ich noch.
Nach einem allgemeinen Gemurmel der Zustimmung geht es dann schließlich zügig weiter im Austausch untereinander. Es wird weiter zugehört, ausgetauscht, kollegial beraten. Es werden Termine ausgemacht und Abmachungen getroffen. Weitere zwei Stunden vergehen noch, bevor es ans Ende geht und man sich verabschiedet.
“Eines noch schnell… der Satz von Dir am Anfang, mit dem Freuen und Weinen… der hat mir gut getan, Danke Dir!”, höre ich gerade noch, bevor sich die Videokacheln schließen und das virtuelle Treffen beendet ist.
Lange sitze ich noch vor dem jetzt stillen und dunklen Bildschirm, nehme die Bibel noch einmal zur Hand und lese noch einmal den Text im Römerbrief. “Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.” In dem Absatz gibt es viele einzelne Aufforderungen von Paulus, die das Leben der Christen untereinander oder zu Außenstehenden im Blick haben. In einem Lexikon dazu finde ich, dass der rote Faden in diesen Aufforderungen das Liebesgebot ist und es Paralellen zur Bergpredigt gibt. Ich denke nach, wie die Betriebsrätin sagte, dass sie Schwierigkeiten hatte, sich mit jemanden anderen zu freuen. Wie wichtig es doch eigentlich ist, dies “einfach” tun zu dürfen.
Freue dich mit den Freuenden und weine mit den Weinenden. Viel wird gerade geweint und getrauert, und es ist für mich auch die Pflicht eines Christen, diesen Menschen beizustehen – weine mit den Weinenden. Genauso wichtig aber ist es, sich mit den Freuenden zu freuen, Freude zu teilen und diese Freude genießen zu können. Auch wenn die Zeit und Situation gerade für viele nicht einfach ist – Zu wissen, dass es eine “Christenpflicht” sein darf, sich mit Freuenden freuen zu dürfen, das hat doch was. Freuen Sie sich darauf!
Ulrich Gottwald, kda Augsburg
(Foto: Michal Jarmoluk/ pixabay.com)