Ich rieche kaum etwas. Seit einigen Jahren schon lebe ich mit einer Einschränkung meines Geruchsinnes. Manchmal rieche ich tagelang nichts, um dann doch wieder auch leichtere Aromen wahrzunehmen. Das ist nervig. Doch im Leben unsrer jungen Familie gab es Momente, in denen ich dann aber ohne Lüge sagen konnte: „Was? Ich hab nix gerochen. Sonst hätte ich das Kind natürlich gewickelt.“ Wir nannten es Wickelroulette. Ich gewann oft.
Man weiß ja, dass Gerüche teils starke Reaktionen hervorrufen. Positiv wie negativ. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Duft von Anis bei uns Europäern oft mit Urlaub oder Hunger verbunden wird, in Japan aber eher mit Desinfektionsmittel und Krankenhaus?
Wie riecht eigentlich gerade Ihr Arbeitsplatz? Wollen wir raten, ob Sie zuhause arbeiten oder im Büro? Eine Kurzumfrage in meinem Umfeld gab Einblicke: „Kaffee“, „Katzenklo“, „Thunfisch“, „Schülerschweiß“, „Butterschmalz“, „Plätzchen“, „Wald“, „Mandarinen“, „Orange“ oder auch „Zimt“ wurden genannt. Kommt etwa Weihnachten?
Sie haben einen Mund und reden nicht,
sie haben Augen und sehen nicht,
sie haben Ohren und hören nicht,
sie haben Nasen und riechen nicht,
sie haben Hände und greifen nicht,
Füße haben sie und gehen nicht,
und kein Laut kommt aus ihrer Kehle.
(Psalm 115, 5-7)
Es geht hier um Götzenbilder, die, seien sie noch so imposant, nicht in der Lage sind ihre Umwelt und somit die Menschen mit Sinnen wahrzunehmen. Doch Gott nimmt uns vollkommen wahr, und wir nehmen unsere Umwelt und unsere Mitmenschen mit verschiedensten Sinnen wahr. Egal, ob das Schmiermittel von Anlagen oder der Geruch von Kopierern und Büroteppich. All das wirkt am Ort unserer Arbeit auf uns. Düfte geben Orientierung, warnen oder stören. Man betritt seinen Arbeitsplatz und, bevor man es bewusst wahrnimmt, hat man ein Gefühl von „hier bin ich“, „wer ist noch da“ und oft auch „wie stehen die Dinge“. Und in Zeiten von Homeoffice und Distanz? Was macht es mit uns, wenn wir nur noch uns selbst riechen?
Im Advent warten wir auf die Ankunft des Heilands in einem Stall mit allerlei weihnachtlichen Düften. Gleichzeitig warten wir auf die verantwortungsvolle Rückkehr zu menschlicher Nähe im beruflichen Alltag. Nehmen wir den weihnachtlichen Stallgeruch als Versprechen und Erinnerung, dass es wieder besser wird und Gott uns auch in der Einsamkeit sieht. Und dass es zwischen Menschen für gute Arbeit mehr braucht als Memos und Meetings.
Wie soll eine Generation gesagt haben: Ich riech euch später!
Martin Deinzer, kda Nürnberg
(Titelbild: shironosov/ canva.com)