Kürzlich weilte ich für ein paar Tage im südthüringisch-oberfränkischen Raum. Eigentlich sollte da ein großes Begegnungstreffen anlässlich „30 Jahre Deutsche Einheit“ stattfinden. Die große Feier fiel aus, dafür gab es Begegnungen mit Menschen aus dem ehemaligen Grenzgebiet in den Kreisen Hildburghausen und Coburg.
Durch die jahrzehntelang unberührte Natur ist der ehemalige Grenzstreifen das “Grüne Band” geworden, das sich durch unser nunmehr gemeinsames Land zieht. Und irgendwie bewegten wir uns immer wieder über das Grüne Band zwischen den beiden Bundesländern Thüringen und Bayern. Menschen berichteten uns, wie das Leben „früher“ war in Ost und West. An vielen Orten ging uns die Geschichte der deutschen Teilung sehr nahe, z. B. in Ummerstadt, im Zweiländermuseum in Straufhain, auf dem ehemaligen Kolonnenweg oder der Gedenkstätte Billmuthausen.
Auch über die aktuelle Situation der Menschen erfuhren wir mehr. Leider ist heute immer noch die Rede von den Erwartungen an die „da drüben“ beidseits der ehemaligen Grenze. Weiter gibt es Vorurteile.
Was immer zur Sprache kommt, ist die noch dauernde unterschiedliche Entlohnung für die gleiche Tätigkeit, z.B. als Krankenschwester, die in den neuen Bundesländern weniger Lohn erhält als ihre Kollegin in den alten Bundesländern. Das wirkt sich auf die spätere Rente aus. Warum noch immer?
Am historischen „Ummerstädter Kreuz“ erlebten wir am 3. Oktober einen ökumenischen, länderübergreifenden Gottesdienst. Der Initiator für dieses besondere, geschichtsträchtige Kreuz, welches 1963 errichtet wurde, war ein ehemaliger Ummerstädter Bäcker, der in den „Westen“ nach Gemünda geflohen ist. Von dieser Stelle aus zwischen den beiden Orten konnte man damals direkt am Grenzzaun in Richtung des Friedhofes und der St. Andreaskirche nach Ummerstadt in den „Osten“ schauen. Die Geschichte berührt und macht sprachlos. Heute begegnen sich Menschen dort eher zufällig oder sind im Gedenken an diese Zeit miteinander verabredet.
Seit 30 Jahren gibt es diesen traditionellen Gottesdienst mit Beteiligten beider Länder. Er führt Menschen aus verschiedenen Himmelsrichtungen zusammen. So wie unsere Freunde und uns – und zwischen uns gibt es weder Ost noch West. Mir fielen die grenzfreien Jesus-Worte ein: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20).
Es war ein Festgottesdienst, der zum Erinnern einlud und zum Nachdenken über unser Zusammenleben anregte. Angestimmt von einem Chorsänger sangen alle gemeinsam zum Schluss „Über sieben Brücken musst du geh‘n…“ der DDR-Gruppe „Karat“, das später Peter Maffay „über die Grenze“ brachte.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen interessante und wertschätzende Begegnungen mit Ihren Mitmenschen – über alle Grenzen hinweg.
Evi Pohl, kda Schweinfurt
(Foto: Rosifan19_canva.com_GettyImages)