Ein Arbeitstag geht zu Ende, die Arbeiter warten auf die Lohnausgabe. Jeder bekommt seinen versprochenen Lohn für seine Arbeit ausgezahlt. Die Arbeitnehmenden, die bereits in den frühen Morgenstunden begonnen haben, werden als Letzte in der Reihe ausbezahlt, so hat es der Chef angeordnet. Unzufriedenheit macht sich breit.
„Warum bekommen die da vorne eigentlich zuerst, die haben doch gar nicht so lange gearbeitet? Der Chef hat sie doch erst eingestellt, die haben doch nichts Großes geleistet. Was ist denn da los? Warum werden die Letzten zuerst bezahlt?“ Eine große Unruhe macht sich breit, als die Arbeiter erfahren, dass jeder den gleichen Lohn bekommt, egal wie und wann sie was geleistet haben. Jeder bekommt den bei Vertragsabschluss versprochenen Silbergroschen, den er zum täglichen Leben braucht. „So geht das überhaupt nicht! Das widerspricht doch jeglichen Tarifrechten und der Gerechtigkeit. Und es missachtet obendrein unsere persönliche Leistung“, formiert sich immer lautstärker der Protest in der Belegschaft. „Was ist denn das für ein Arbeitgeber? Ein Pauschallohn – jeder kriegt das Gleiche, egal ob er sich zwölf Stunden abgerackert hat, oder nur ein Stündchen gearbeitet hat?“
Da ist jeder zu verstehen, der bei dieser Ungerechtigkeit seinen Protest anmeldet.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg wird im Neuen Testament im Matthäusevangelium, Kapitel 20, in den Versen 1-15 von Jesus erzählt. Dort beschreibt Jesus das Himmelreich und Gottes Güte und Liebe, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen – für uns klingt das zunächst ungerecht. Die Verteilungsgerechtigkeit Gottes widerspricht unseren menschlichen Maßstäben.
Gott gibt jedem, was er zum Leben braucht. Die Letzten werden die Ersten sein. Jeder bekommt den versprochenen Lohn, nicht mehr und nicht weniger. Der Unmut entsteht anscheinend nicht über den eigenen Lohn, sondern gegenüber den Anderen, die weniger geleistet haben.
Im Gleichnis geht es um Gott und um uns Menschen – und Gott ist nun mal kein normaler Arbeitgeber – und wir nicht seine Angestellten, die am Ende nach ihrer Leistung bezahlt werden.
Wie sieht es denn eigentlich mit der Leistung in Sachen Glaube aus? Das Kontrollieren und Vergleichen, gehört anscheinend zu unserer menschlichen Natur. Mit der Weinberggeschichte berührt Jesus unser Gerechtigkeitsempfinden. Liebe kann man eigentlich nicht messen. Liebe selbst berechnet auch nicht – sie hofft, dass sie beantwortet wird. Allein diese Liebesbeziehung zu Gott – wir können es auch Glaube nennen – ist das, worauf er bei uns Menschen achtet.
Wir dürfen mit der Liebe, Güte und Großzügigkeit Gottes leben. Wir bekommen, was wir eigentlich auch nicht wirklich verdient haben. Vor Gott sind wir alle gleich, obwohl wir eigentlich alle doch so verschieden sind.
Jürgen Hopf, kda Nürnberg
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