Dann geht der Mensch hinaus an seine Arbeit und an sein Werk bis an den Abend. (Ps 104, 23)
„Ich bin dann auf der Arbeit“, das sage ich zu Mitmenschen, die mich fragen, wo ich in der nächsten Woche anzutreffen sei. „Ich bin gerade bei der Arbeit“ lautet die Auskunft, wenn jemand den Kopf zur Tür meines Arbeitszimmers hereinstreckt. Auf die Frage, was ich gerade tue, reicht die knappe Auskunft „ich arbeite gerade“, um dem Frager zu signalisieren, dass ich für ihn jetzt eben keine Zeit habe.
Meine Arbeit und ich: Ich gestehe es, dass ich gern arbeite und dass ich viel arbeite. Meistens fühle ich mich gut dabei, viel Arbeit zu haben, denn anscheinend werde ich gebraucht. Im Allgemeinen gelingt es mir den etwas unbescheidenen Satz nicht zu Ende zu denken: Wenn alle so arbeiten würden wie ich, dann … Ich habe es auch schon erlebt, dass ich zu viel gearbeitet habe und dann nachts nicht schlafen und abschalten konnte. Arbeit kann zu viel und Arbeit kann zur Droge werden. Trotzdem ist es schön, sich nach getaner Arbeit sagen zu können: „Da habe ich doch wieder einiges geschafft.“ Und noch besser ist es, von anderen für die erbrachte Arbeitsleistung Anerkennung zu bekommen.
Ich und meine Arbeit. Was bin ich, was ist meine Arbeit und wie hängt beides zusammen? Schwer zu sagen, aber ich gehöre auch zu den privilegierten Menschen, die ihre persönlichen Gaben und Neigungen in ihrer Arbeit ausleben dürfen. Aber nur freiwillig tue ich mir meine Arbeit auch nicht an, denn ich muss arbeiten, um meinen Lebensunterhalt bestreiten und einmal eine auskömmliche Altersversorgung beanspruchen zu können. Und trotz selbstbestimmter Anteile bei der Arbeit bin ich weisungsgebundener Mitarbeiter einer großen Organisation und auch darauf angewiesen, dass meine Arbeit nachgefragt und weiterhin gewünscht wird. Arbeit und Kapital stehen in einem Spannungsverhältnis, da hat Karl Marx absolut recht.
Für die Bibel ist es völlig normal, dass Menschen arbeiten. Es gehört zur Lebensweise von Menschen dazu, dass sie arbeiten und durch ihre Arbeit sich selbst und die Ihren ernähren. Arbeit ist Teil der menschlichen Lebensweise. Arbeit ist der Alltag von Menschen, der am Morgen beginnt, bei nicht wenigen sehr früh, und am Abend endet, bei vielen sehr spät. Wenn die Arbeit Ausdruck meines Menschseins ist und ich meiner Arbeit das Profil meiner Persönlichkeit gebe, dann stellt sich folgende Frage: Was ist mit den Menschen, die nicht arbeiten oder die ihre Arbeit verloren haben? Was ist mit ihrem Menschsein? Arbeitslos kann doch niemals würdelos bedeuten!
Es dürfte deutlich sein, dass hier eine Grenze oder Zäsur ist. Denn möglicherweise ist die Arbeit das halbe Leben, aber das ganze Leben darf die beste Arbeit wohl doch nicht beanspruchen. Arbeit ist ein elementares Menschenrecht, aber die Menschenwürde darf niemals von unserer Arbeit abhängen. Solange ich selbst Arbeit habe, möchte ich gern meinen Beitrag leisten, dass andere auch Arbeit haben im Sinne von Erwerbsarbeit. Ich bin meiner Frau dankbar, denn sie hilft mir, dass aus Arbeitslust nicht Arbeitswut wird. Aber einfach finde ich es nicht, da immer das richtige verträgliche Maß zu finden, denn es kommt ja nicht nur auf mich selbst an, sondern auf meinen Arbeit- bzw. Dienstgeber und auf mein Umfeld. Arbeit will in Angriff genommen und sie will auch zum Abschluss gebracht sein.
Herr Gott, Schöpfer der Welt,
ich danke dir, dass ich allein für mich
und mit anderen zusammenarbeiten darf.
Ich bitte dich für alle,
die keine Arbeit oder keine gute Arbeit haben:
Lass sie nicht verzweifeln und verbittern,
sondern lass sie Hilfe und Neuanfänge erfahren.
Dich preise ich, dreieiniger Gott,
Anfänger und Vollender der Welt,
für die Gaben deiner Schöpfung,
hochgelobt seist du in Ewigkeit. Amen
Dr. Johannes Rehm, Leiter kda Bayern
entnommen dem Buch: Johannes Rehm, Wirtschaftswunder. 52 Lichtblicke für den Arbeitsalltag, Leipzig 2021.
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