„Ora et labora“ oder auf Deutsch „bete und arbeite“, so wird der bekannte spätmittelalterliche Grundsatz klösterlichen Lebens gerne verkürzt zitiert. Er drückt die tiefe geistliche Erfahrung aus, dass eine wechselseitige Durchdringung sowie ein gegenseitiges Spannungsverhältnis von Gebet und Arbeit zu einer spirituellen Bereicherung führen kann. Gerne wird der Benediktinerorden mit diesem zum Motto gewordenen Grundsatz charakterisiert.
Als junger Theologe verbrachte ich ein Studienjahr an der Päpstlichen Universität der Benediktiner, Anselmianum, in Rom. Für mein ökumenisches Forschungsprojekt sollte ich katholische Theologie und Spiritualität in ihrem Zentrum kennen und besser verstehen lernen. Als einziger Protestant nahm ich damals zusammen mit Mönchen aus aller Welt am geistlichen Leben des Collegio San Anselmo teil. Fünf gemeinsame Gebetszeiten strukturierten und unterbrachen jeden Tag das Leben und Arbeiten. „Bete und arbeite“, so habe ich es miterleben dürfen. Da liegen Gebet und Arbeit zeitlich und räumlich ganz nahe beieinander. Beides ist gleich wichtig und darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. Am benediktinischen Leben beeindruckte mich nicht zuletzt, dass die in einer menschlichen Gemeinschaft notwendigen praktischen und manuellen Arbeiten möglichst gerecht auf alle zu verteilen sind. Jedenfalls habe ich auch große Gelehrte erlebt, die im Garten arbeiten, beim Putzen helfen und am Tisch bedienen. Denn auch die händische Arbeit muss getan werden und selbstverständlich ist sich niemand zu schade mit anzupacken! Der tiefere Sinn dieser Haltung erschließt sich einem, wenn man sich den alten klösterlichen Grundsatz im Zusammenhang vor Augen führt, denn er lautet vollständig: „Bete und arbeite (und lies), Gott ist da ohne Verzug.“
Im Zusammenhang wahrgenommen ist dieser uralte spirituelle Weisheitssatz von großer ökumenischer und von tiefer lebenspraktischer Bedeutung: Uns Christen ist es eine Selbstverständlichkeit zu glauben, dass Gott beim Gebet dabei ist. Das Dabeisein Gottes beschränkt sich aber nun nicht auf das Gebet, sondern Gott ist auch bei unserer Berufsausübung dabei und will von uns auch bei der Arbeit als hilfreich erfahren werden. Dieser Grundsatz gilt übrigens für alle Arbeit, für die geistige wie für die körperliche! Doch, was wissen wir Menschen schon von Gott? Von uns aus wissen wir wirklich nicht sehr viel. Deshalb gehört zum Beten und Arbeiten das Lesen der Heiligen Schrift notwendig dazu. Denn diese Lektüre vermag das Beten und Arbeiten zu verändern, zu vertiefen und neu zu orientieren. All dies lässt sich wahrlich nicht nur im Kloster erfahren, sondern im ganz normalen Wahnsinn des Alltags mit seinen geistigen, seinen menschlichen und seinen praktischen Herausforderungen. Beten, Arbeiten und Lesen bilden gemeinsam den Dreiklang einer christlichen Gestaltung eines Arbeitstages.
Herr Gott, Schöpfer der Welt,
ich danke dir, dass ich mich
im Gebet täglich an dich wenden darf.
Ich bitte dich um deinen Segen
für meine alltägliche Arbeit, dass sie meinen
Nächsten nützen möge.
Mit den Erzvätern, den Propheten, den
Evangelisten und den Aposteln lobe und
preise ich dich, dreieiniger Gott, in alle
Ewigkeit. Amen
Johannes Rehm, kda Nürnberg
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