Diese Gleichzeitigkeit ist manchmal so schwer zu ertragen: Die Natur zeigt sich von ihrer besten Seite, wir genießen das ausgehende Frühjahr, freuen uns auf den Sommer, ABER dürfen wir das? Uns freuen, wenn gleichzeitig der Krieg (nicht nur) in der Ukraine in den fünften Monat geht?
Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt,
ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?
Schalom Ben-Chorin ermuntert uns mit seinem Gedicht „Das Zeichen“, den Blick zu weiten, die Lebenszeichen in all der Verzweiflung zu sehen. Er hat dieses Gedicht 1942 geschrieben, als Krieg war und Diktaturen herrschten. Trotzdem konnte er das Aufblühen der Mandelbäume nach dem kargen Winter als Zeichen für ein Weiterleben, für eine Zukunft sehen.
Dass das Leben nicht verging, so viel Blut auch schreit,
achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit.
In Nürnberg gibt es einen Park „Volkspark Marienberg“, der nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gelände, mit und auf den Trümmern des 1943 zerbombten Flugplatzes Nürnberg entstanden ist. Der „Buck“ (fränkisch für Hügel) z.B. gleich am südlichen Eingang, durch vieler Hände Arbeit aus Kriegsschutt aufgeschüttet, ist heute ein beliebter Spazierweg mit Aussicht und im Winter kleiner Schlittenberg.
Tausende zerstampft der Krieg, eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht.
Hier mit dem ‚Marienbergpark‘ ist etwas entstanden aus Trümmern, aus Leid, aus Krieg. Trümmerfrauen und –männer haben die Trümmer beseitigt, die Bäume gepflanzt, die Wege angelegt und dabei einen Volkspark im besten Sinne des Wortes geschaffen. Hier treffen sich Joggerinnen und Walker, es wird Fußball gespielt in offenen Gruppen, der Weiher ganz hinten lädt zum Umrunden ein oder zu Gesprächen auf dem Mäuerchen…
Aber das ‚Highlight‘ ist die Grillwiese, ein Ort der Begegnung und des Austausches, über Nationalitäten und Religionen hinweg, türkische und kurdische, deutsche und italienische, arabische und südamerikanische ‚communities‘ treffen hier aufeinander… auch noch und wieder russische und ukrainische?
Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt,
das bleibt mir ein Fingerzeig für des Lebens Sieg.
Die bittere und zugleich hoffnungsfrohe Geschichte dieses Parks lässt mich darauf vertrauen, dass die grausame Wirklichkeit in der Ukraine auch einmal in wieder aufgebauten Häusern und Parks münden kann. In Orte des Diskutierens und Lachens, Orte der Bewegung und des Zusammensitzens, Orte, die Hoffnung machen…
Dorothea Kroll-Günzel, Aktion 1+1
Foto: zenzeta via Canva