Endlich ist es wieder soweit. Sommerzeit ist Pilgerzeit. Die Richtung ist ganz leicht zu finden, nach Westen bis Santiago de Compostela, der Hauptstadt der nordwestspanischen Region Galizien und Ziel aller Jakobspilgernden. Die Wegstrecke ist bereits geplant. In diesem Jahr geht es von Kempten im Allgäu bis nach Lindau am Bodensee. Jetzt sind nur noch ein paar Vorbereitungen zu treffen. Wenn der Rucksack mit dem Nötigsten zum Überleben gepackt ist, kann es endlich losgehen.
Nicht das erste Mal werde ich unterwegs sein. Ich denke an die Frage, die ich auf meinen bisherigen Reisen Pilgernden auf dem Weg immer wieder gestellt habe: „Was genau treibt euch an?“ Darauf habe ich ganz unterschiedliche Antworten erhalten: die Gemeinschaft, einfach losgehen, mit anderen unterwegs sein, aus spirituellen Gründen, weil ich auf einem Glaubensweg unterwegs sein will,… Jeder und jede hat so seine eigenen Beweggründe für eine Pilgerreise, so unterschiedlich, wie wir Menschen eben sind. So sind wir unterwegs im Zeichen der Muschel und mit leichtem Gepäck.
Pilgern, das heißt tägliches Aufbrechen und Ankommen. Beides bleibt ein Erlebnis und macht große Freude. Und auf dem Weg ist viel Raum für Ungeplantes, z.B. für die Erfahrung von Gastfreundschaft. Ich denke an das kleine Gasthaus, bei dem uns die Wirtsleute schon von weitem mit einem Lächeln empfangen. Sie lesen in unseren Gesichtern unser Bedürfnis nach einem Platz im schattigen Biergarten und kühlen Getränken. Sie strahlen ein „Du bist herzlich willkommen“ aus, eine Herzlichkeit, die für Gastfreundschaft steht, die Türen öffnet, die freundlich begrüßend ins Haus bittet und Menschen verbindet. Wir freuen uns, dass wir uns ausruhen können und außerhalb der Öffnungszeiten so freundlich empfangen werden. „Hier kann ich sein und wieder Kraft schöpfen für den nächsten Tag.“
Ich denke auch an die Gemeinschaft, die beim Pilgern wächst. So schildert mir eine Pilgerin am Ende einer einwöchigen Pilgerreise: „Für mich waren die gemeinsamen Andachten in den Kirchen und die Mittagspausen unterwegs auf einer Wiese oder am Waldrand berührende Momente. Dort, wo wir teilten im Sinne von Matthäus 18,20 „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Die eigene Geschichte in den Schilderungen des Anderen wiederfinden, ganz ähnliche Freuden, Ansichten und Sorgen teilen, das schafft tiefe Vertrautheit. Auch Aufregendes, Anstrengendes gemeinsam bewältigen oder aushalten stiftet Gemeinschaft, wie ich auch dem Weg erfahren habe. Und dann denke ich an ein Wort aus dem Hebräerbrief: „Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen. Denn daran hat Gott Freude“ (Hebräer 13,16)
Thomas Ruthenberg, Kirchlicher Dienst im Gastgewerbe
Foto: Günter Tischer