Am 16. März 2020, vor ziemlich genau zwei Jahren, wurde der erste Katastrophenfall aufgrund der Pandemie in Bayern ausgerufen. Wir gehen also in das dritte Jahr mit der Pandemie. Inzwischen machen sich Müdigkeit, eine gewisse Gleichgültigkeit, Monate der Angst und auch Gewöhnung bemerkbar.
Beim Aufräumen des Schuhregals ist mir aufgefallen, dass ich manche Schuhe seit zwei Jahren nicht mehr gebraucht habe. Was sagt das über mich und mein Leben in und mit der Pandemie aus? Und wie ist das bei Ihnen? Haben Sie jetzt aufgetragene Hausschuhe, weil Sie häufig zuhause gearbeitet haben, zuhause arbeiten mussten oder konnten? Oder weil Sie Ihre Arbeit verloren haben durch die Pandemie?
Meine Nachbarin arbeitet als Krankenschwester, die kam viel zu häufig nicht aus ihren Arbeitsschuhen raus…
Ein ehemaliger Steward ist von seinen schwarzen Lederschuhen in Krankenhaus-Clogs umgestiegen, weil er jetzt zum Krankenpfleger umschult…
Eine Frau hat mir erzählt, dass sie während Corona die Online-Angebote des Staatstheaters angeschaut hat und sich dafür genauso „zurecht gemacht“ hat, als wenn sie hingehen würde, also „schicke Schuhe“…
An unseren Schuhen erkennt man eben auch, wie wir durch’s Leben gehen: das kann deprimierend „ausgelatscht“ sein, bequem und funktional, kann Aktivität ausdrücken oder eben auch Würde und Haltung: in Theater-Schuhen vor dem PC zum Beispiel.
Ich wünsche Ihnen für dieses dritte Jahr mit der Pandemie, nachdem wir so viel geschafft und gelernt haben und an einem ganz anderen Punkt stehen, dass Sie in den Tiefen Ihres Schuhschranks Schuhe wieder entdecken, die Sie schon lange nicht mehr angezogen haben, und dass Sie für Ihre privaten Aktivitäten und für die Arbeit in Schuhe schlüpfen, die Ihnen Lust machen, wieder unter Menschen zu gehen.
Und vielleicht summen Sie dazu das alte Paul-Gerhardt-Lied
Befiehl du deine Wege
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege
des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.
Dorothea Kroll-Günzel, Aktion 1+1 – Mit Arbeitslosen teilen
(Foto: Dorothea Kroll-Günzel)