Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben. (Lk 15, 14)
Immer wieder ist in der Bibel von Hungersnöten die Rede. Wenn von der Wirtschaft und dem menschlichen Wirtschaften gesprochen wird, dann bedeutet es von jeher einerseits Wirtschaftswachstum, aber andererseits auch immer wieder die Erfahrung einer Wirtschaftskrise. In biblischen Zeiten erlebten Menschen vielfach Wirtschaftskrisen als Hungersnöte – so wie der verlorene Sohn im Gleichnis. Den Völkern der südlichen Hälfte der Erdkugel geht es bis heute so. Wirtschaft ist deshalb ein zwiespältiger Lebensbereich, der Wohlstand vermehren oder in Gefahr bringen kann.
Nicht zuletzt eine fundamentale Wirtschaftskrise brachte in den 1930er-Jahren die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht. Verständlich, dass Wirtschaftskrisen gefürchtet werden, da dann Spareinlagen womöglich ihren Wert verlieren oder gar Arbeitsplätze verloren gehen. Die Hoffnung auf ein den Wohlstand vermehrendes Wirtschaftswachstum und die Furcht vor einer möglichen Wirtschaftskrise sind es gleichermaßen, welche in der Öffentlichkeit und bei den Einzelnen zur hohen Bedeutsamkeit des Lebensbereichs Wirtschaft führen.
Leider gibt es keine allgemein einsichtigen Erfolgsrezepte wie man sich vor Wirtschaftskrisen schützen kann, sondern sehr unterschiedliche und sich teilweise widersprechende wirtschaftspolitische Ansätze. Die Sorge vor einer möglichen Wirtschaftskrise beunruhigt uns Menschen wie früher die unberechenbaren Launen der Natur gefürchtet waren. Wie können wir mit dieser nicht unbegründeten Sorge leben und verantwortlich umgehen? Die Erinnerung an die Finanzmarktkrise 2008 steht mir noch lebendig vor Augen. Sehr viele Menschen weltweit verloren damals ihre Arbeitsplätze und ihr Erspartes. Heute kann noch niemand die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise und des Ukrainekrieges realistisch abschätzen. Wer wird für die Folgen dieser Krise bezahlen? Wirtschaftskrisen sind beängstigend und gefährlich. Wirtschaftskrisen sind erfahrungsgemäß vor allem für die Armen existenzgefährdend.
Vor diesem Erfahrungshintergrund verbietet sich eine idealisierende Sicht von Wirtschaft als einer schönen neuen Welt unbegrenzter Möglichkeiten. Weil verantwortungsloses wirtschaftliches Gebaren zu Wirtschaftskrisen führen kann, stellt sich die Frage, wie verantwortliches Handeln aussehen müsste, dass Krisen vermieden werden. Denn Wirtschaftskrisen bei uns führen zu Hungersnöten in der sogenannten Dritten Welt. Wie viel dürfen wir in den westlichen Ländern und wie viel darf ich persönlich an Rohstoffressourcen verbrauchen, dass alle auch morgen noch hinreichend zu essen haben?
Das Gleichnis Jesu vom verlorenen Sohn erzählt von einem, der alles, was er hatte, verbrauchte und nicht an morgen dachte. Dass eine Wirtschaftskrise kommen würde, das hatte er nicht einkalkuliert. Diese Krise erwischte ihn kalt und er musste hungern. Nun ist es unter den heutigen wirtschaftlichen Bedingungen mit all den Finanzmarktschwankungen an den Börsen nicht einfach zu entscheiden, in welcher Weise man sich vor möglichen Wirtschaftskrisen schützt und für die Zukunft vorsorgt. Gerade die zurückliegende Finanzmarktkrise zeigte, dass es keine absolut sichere finanziell-wirtschaftliche Zukunftsvorsorge geben kann. Aber vielleicht führt bereits ein wirtschaftliches Handeln, das die Möglichkeit der Krise mitdenkt, zu verantwortungsbewussteren Entscheidungen. Ganz besonders dann ist dies der Fall, wenn man sich klarmacht, dass eine Wirtschaftskrise bei uns zu einer Hungersnot woanders führen kann.
Dreieiniger Gott,
ich danke dir für die Güter deiner Schöpfung,
mit denen du mich gesegnet hast.
Ich bitte dich, bewahre mich
vor übermütigem und verantwortungslosem
Handeln, das meinem Nächstem schadet.
Beschenke mich mit deinem Geist,
dass ich verantwortliche Entscheidungen treffen kann. Amen
Dr. Johannes Rehm, Leiter kda Bayern
entnommen dem Buch: Johannes Rehm, Wirtschaftswunder. 52 Lichtblicke für den Arbeitsalltag, Leipzig 2021.
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